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Er ist in aller Munde – der Papierpreis. Seit weit über einem Jahr registrieren wir enorme Preissteigerungen bei Papierherstellern. Deutlich über 100 % Zunahme bis März 2022, je nachdem, welche Druckerei man fragt, sprechen wir sogar über 150% Preissteigerungen oder mehr. Mit dem Ausrufen der „Alarmstufe Gas“ durch den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck dürfte sich die Preisspirale vorerst nicht entschärfen. Denn war zuvor weitgehend die aus Holz gewonnene Zellulose für die erhöhten Preise verantwortlich, so ist es nun sehr wahrscheinlich, dass der Gaspreis und die drohende Rationierung des Gases die Herstellungskosten von Papier weiter in die Höhe treiben werden. Der Grund dafür ist der hohe Gasverbrauch, den die moderne Papierindustrie hat. Benötigt wird das Gas nicht zur Stromgewinnung, sondern die Heizleistung des Rohstoffs ist ein wichtiger Bestandteil für das Trocknen des Papiers nach dem Pressvorgang. Ohne zugeführte Wärme ist die Weiterverarbeitung praktisch nicht möglich. In den frühen Produktionsschritten besteht der verwendete Zellstoff nämlich nur zu 1% aus Fasern und Hilfsstoffen und zu 99% aus Wasser. Dieses wird zunächst rausgepresst, bis die überschüssige Restfeuchte nur noch mit beheizten Walzen ausgetrocknet werden kann.
Die Preisspirale stellt nicht nur die Papierbranche vor Herausforderungen, sondern auch die Verpackungs-, Kreativ- und Buchbranche muss sich mit diesem Problem auseinandersetzen. Zumal eine starke Entspannung zumindest im laufenden und auch im kommenden Jahr nicht abzusehen ist. Auch für uns stellt sich die Frage, inwieweit wir auf Papier angewiesen sind, welche Vorteile es bringt und welche Alternativen es gibt. Letztendlich muss sich im ökonomischen Kreislauf jeder Medienproduzent die Frage stellen, ob die Kosten den Nutzen rechtfertigen – oder ob es andere Lösungen gibt.
Sieht man sich die Zahlen an, dann können wir in den vergangenen zwanzig Jahren einen allgemeinen Rückgang in der Papiernutzung feststellen. Eine Aufstellung des NABU zeigt, dass zwischen 2006 und 2019 die Papiernutzung von immerhin 274 kg pro Person auf 227 kg pro Person gesunken ist. Im Detail stellt sich heraus, dass der Bärenanteil dieser 227 kg auf Verpackungspapier und grafisches Papier – also Bücher, Werbemittel, Büropapier und dergleichen – zurückzuführen sind. Während die Menge an verwendeten Papierverpackungen nahezu gleichgeblieben ist, hat sich die Menge an grafischem Papier im Kreislauf seit 2006 um sichtbar reduziert (von ca. 120 kg/p.P. auf 80 kg/p.P., also ca. 30%). Die Gründe hierfür liegen hauptsächlich in der seit 2006 vorangeschrittenen Digitalisierung und in den Bemühungen um den Umweltschutz, insbesondere in Unternehmen, die häufig auf das Ausdrucken von E-Mails und dergleichen verzichten.
Aus den Zahlen wird deutlich, dass gerade die Nutzung von grafischem Papier nach wie vor eine Verengung auf bestimmte Kernbereiche in der Verwendung durchmacht. Blickt man in die gewerbliche Nutzung von Papier, so lassen sich schnell Bereiche erkennen, in denen das haptische Material gegen digitale Dokumente ausgetauscht wird: Korrespondenzen, Rechnungen, Dokumentationen und Büromaterial wird in vielen Unternehmen und Privathaushalten nach Möglichkeit nicht gedruckt, um Papier zu vermeiden. Andererseits zeigt sich auch, dass andere Kernbereiche hartnäckig bleiben: Werbematerial, Broschüren, Infoblätter, Visitenkarten, Zeitschriften und Bücher – kurz, alles, was wichtige Botschaften an die Zielgruppe transportiert.
Diese Entwicklung ist nicht unbekannt: In der Druckindustrie wirbt man verstärkt mit besonderen Farbspektren, um exklusive Grafiken zu ermöglichen. Verpackungen wirken heutzutage oftmals sehr hochwertig, vor allem aber sind sie häufig individualisiert und nahezu immer bedruckt – selbst Versandkartons sind gewöhnlich mit der Corporate Identity der jeweiligen Unternehmen versehen. Auch der Buchdruck sieht sich mit dieser Entwicklung konfrontiert. Die Buchverkäufe und somit auch die Druckzahlen gehen jährlich um einige Prozentpunkte zurück – die Herstellungsabteilungen aber übertreffen sich geradezu mit hochwertigen Coverdesigns und kleinen Besonderheiten am gedruckten Produkt. Insbesondere im hochpreisigen Hardcover-Bereich sieht man immer wieder Bücher, die mit ihrer Extravaganz hervorstechen und so im Bücherregal besonders hervorstechen.
Die Verwendung von grafischem Papier wird also insgesamt weniger, aber exklusiver. Die Konkurrenz zu den digitalen Trägern von Botschaften – Web, PDF, Filme – macht den unschlagbaren Vorteil von Papier deutlich: Es ist haptisch. Es lässt sich nicht einfach wegwischen oder wegklicken. Hat man es einmal in der Hand, wird ein Sinn angesprochen, den bislang keine digitale Technik der Welt adäquat imitieren kann: Der Tastsinn. Die Rezeptoren in unseren Fingern freuen sich, wenn wir Ihnen anspruchsvolle Oberflächen zum Tasten geben – und genau hierauf zielt das Produktdesign in der papierbasierten Werbebranche ab. Mit hochwertigem Papier, das eine ansprechende Optik und eine auffällige, aber trotzdem angenehme Haptik hat, versucht man die Zielgruppe nachhaltiger zu erreichen, als das mit digitalen Medien möglich wäre. Dabei nimmt man in Kauf, dass die Reichweite von haptischen Botschaften bei weitem nicht so groß ist, wie dies Online der Fall ist.
Ein haptischer Botschaftsträger, sei es eine Zeitschrift, eine Broschüre, ein Flyer oder ein Buch, kann relativ zu den Möglichkeiten der digitalen Welt nur eine kleine Zielgruppe erreichen. Während bei Instagram, TikTok, Twitter und Facebook mit nur einem gut platzierten Post ein Millionenpublikum erreicht werden kann, wäre der finanzielle und organisatorische Aufwand mit einer haptischen Botschaft wohl kaum rentabel. Begrenzt auf eine Region kann der Einsatz von haptischen Werbemitteln durchaus sinnvoll sein. Anzeigenprospekte, Einkaufsgutscheine, lokale Spendenaufrufe und dergleichen finden sich immer wieder in unseren Briefkästen. Anders als im Browser hält der Empfänger das Werbemittel mindestens so lange in der Hand, bis er oder sie den (echten) Papierkorb erreicht hat. Mit der richtigen Botschaft und Design kann das haptische Erlebnis „Papier“ nur in dieser kurzen Zeit zum Erfolg führen.
Die zweite Möglichkeit haptische Botschaften sinnvoll einzusetzen, sind exklusive Produkte – wissenschaftliche Bücher, Biographien, schön gestaltete Romane – und Corporate Books. Gerade im Corporate Publishing ist Papier das Mittel der Wahl. Wir befinden uns nicht im Bereich der schnellen Botschaft, sondern Corporate Publishing ist gewissermaßen das Premium Segment der PR-Branche. Unsere Botschaften sind gut platziert, nachhaltig und müssen auf allen Ebenen überzeugen. Insbesondere bei Büchern, Firmenchroniken und Ratgebern, die Unternehmen über einen Verlag für Corporate Publishing veröffentlichen, ist es von hoher Relevanz, auf welchem Medium die Botschaften platziert sind. Eine Chronik, die sich als PDF schnell durchscrollen lässt und dann im Nirvana unzähliger Dokumente auf dem Desktop verschwindet, ist wenig attraktiv für eine wichtige Botschaft wie die Verlässlichkeit und Beständigkeit eines Unternehmens. Ein schön gestaltetes Buch oder Heft mit auffälligem Buchrücken, angenehmen Papier und einer tollen Optik dagegen sticht aus jedem Bücherregal hervor – und wird ungern weggeworfen. Es geht nicht mehr darum, eine möglichst große, aber wenig kaufkräftige Zielgruppe zu erreichen. Sondern es geht darum, eine kleine, aber kaufkräftige Zielgruppe langfristig an sich zu binden. Das exklusive haptische Erlebnis bietet hier die Möglichkeit, Werte nachhaltig zu erzeugen. Eine Firmenchronik kann so nicht nur die Geschichte des eigenen Unternehmens erzählen, sondern sie lässt die Leser am Unternehmen des Geschäftspartners teilhaben – es wird so ein Teil seiner Identität.
Auch wenn sich Papier also in einer Preisspirale befindet und immer teurer wird, können wir davon ausgehen, dass sich dieses Jahrtausende alte Werkmaterial nicht so schnell aus unserer Wirklichkeit verabschieden wird. Der Trend, der sich bereits seit Jahren zuspitzt, wird Papier lediglich zu dem machen, was es schon immer war: ein exklusives Produkt, das bedeutende Botschaften trägt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
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